Der Chalmers Cortège jeden 30. April in Göteberg ist ein skandinavisches Ereignis, das man am ehesten mit dem deutschen Karneval in Köln oder Mainz vergleichen kann, obwohl es sich dabei um ein rein studentisches Ereignis handelt, das selbst im Regen die gleiche Anzahl an Besuchern anzieht als bei Wärme und Sonnenschein. Die Besucher kommen aus vielen Teilen Schwedens und viele sehen den rund zwei Stunden langen Umzug jedes Jahr an, manche vom gleichen Platz aus. Nur wer mindestens eine halbe Stunde vor Beginn bereits seinen Platz an der Straße verteidigt hat auch die Chance das Ereignis wirklich voll genießen zu können.
Die fast unendlich scheinende Anzahl an Wagen spiegeln die Einstellung vieler Schweden zu lokaler und nationaler Politik, auch wenn Politiker dies beim Chalmers Cortège ebenso wenig zur Kenntnis nehmen wollen wie beim deutschen Karneval. Da der Umzug von der Göteborger Technischen Hochschule Chalmers veranstaltet wird, entdeckt man, zwischen den Wagen, natürlich auch zahlreiche technische Spielereien, die den Erfindungsreichtum der Studenten spiegeln. Unterbrochen wird der Umzug auch immer wieder von musikalischen und tänzerischen Einlagen, die den Cortège dadurch auch zu einer Art Volksfest machen.
Herausragende nationale Themen dieses Jahr waren, unter anderem, die schwedische Wolfsjagd, wo 12.000 Jäger 27 Wölfe erlegen wollten um damit einen Artenschutz zu betreiben oder die Jagd nach allen, die Musik aus dem Internet laden und hierfür selbst neue Gesetze schaffen, die die absolute Mehrheit der Schweden nicht haben will, was dann wiederum der Piratenpartei zu einem gewissen Erfolg hilft.
Allgemeine Themen, die sich mehr oder weniger jedes Jahr wiederholen, jedoch für immer mehr Schweden bedeutend werden, sind Wohnungsprobleme, Korruptionen, Erziehung und vor allem die ständigen Streichungen von Kinderhorten und Kindergärten. Auch wenn die Wagen des Chalmer Cortèges immer deutlicher auf diese Missstände hinweisen, geht die Politik des Landes immer weiter in die entgegengesetzte Richtung statt den Warnsignalen zu lauschen.
Da sich die Technische Hochschule Chalmers in Göteborg befindet, ist es natürlich logisch, dass sich die Studenten bei der Gestaltung ihrer Wagen auch an Probleme Göteborgs wagen. Das bedeutendste Thema war der Verkauf von Volvo an Geely, was in Göteborg vermutlich mehr Arbeitsplätze vernichten wird als sich die Politiker Göteborgs überhaupt vorstellen wollen. Und Chalmers dachte natürlich auch an Västtrafik mit seinem neuen Bezahlsystem, das viele Göteborger auch nach Monaten noch nicht verstanden haben und das immer noch fehlerhaft arbeitet.
Schwedischen Informationen zum Chalmers Cortège:
Chalmers Cortègen i Göteborg 2010
Schwedischen Informationen zum Chalmers Cortège:
Chalmers Cortègen i Göteborg 2010
Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin
Hallo Herbert,
AntwortenLöschenerstaunlich, was die Studenten auf die Beine stellen. Manche Themen sind ganz schön bissig in Szene gesetzt, aber so soll es ja auch sein. Auf alle Fälle sieht man, daß sie sich mit Problemen auseinandersetzen und sich nicht scheuen, ihre Ansichten der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Danke für die Bilder (und natürlich auch für die Texte dazu).
Kram / Katrin.