Sonntag, 10. Oktober 2010

Nappträd, Schnullerbäume in Göteborg

Wer durch die Grünflächen in Göteborg spaziert, findet hin und wieder Bäume besonderer Art, von deren Äste bisweilen hunderte von Schnullern baumeln und hin und wieder auch einer Babyflasche. Selbst im Schlosswald und an den Delsjön findet man einen auf diese Art „geschmückten“ Baum, der gut sichtbar an einem Wanderweg steht.


In Schweden nennt man diese Bäume Nappträd, also Schnullerbäume, die für viele Kinder eine besondere Rolle spielen, denn irgendwann warnt der Zahnarzt von der weiteren Benutzung des Schnullers oder alle Freunde haben bereits darauf verzichtet oder das Kind fühlt sich einfach zu alt um sich noch mit dem Schnuller zu zeigen.


In diesem Moment beginnt der Schnullerbaum, an dem die Eltern schön längere Zeit immer wieder mit ihrem Sprössling vorbeigingen, eine Rolle zu spielen, denn längst kennt das Kind die Bedeutung dieses Baumes und immer häufiger taucht er in der Welt des Kindes auf, zumal dieser Baum ein Symbol dafür wird, dass man ohne Schnuller nicht mehr als Baby betrachtet wird und daher den nächsten Schritt im Leben nimmt.


Eines Tages sammelt dann das Kind alle seine Schnuller und selbst die Babyflasche und bittet die Eltern um einen Spaziergang zum Nappträd, dem Schnullerbaum. Dort angekommen werden dann alle Schnuller mit einem Draht oder Faden an einem der Äste befestigt. Der Vorteil dabei ist, dass die Schnuller nicht einfach verschwinden und das Kind weiß, wo seine jüngste Kindheit abgeblieben ist. Wichtig dabei ist auch, dass das Kind selbst dabei hilft die Schnuller am Baum zu befestigen.


Zu Beginn wollen die Kinder ihre Schnuller öfter einmal besuchen, aber mit der Zeit werden die Abstände länger und nach spätestens einem Jahr haben die Kinder ihre Beziehung zu den Schnullern dann verloren. In der Regel hängen die Schnuller bis zu zwei Jahren auf den Bäumen, bis die Witterung sie so unkenntlich machte, dass sie endgültig im Abfall landen können.

Copyright Text: Herbert Kårlin - Foto: Irene Kårlin

Samstag, 9. Oktober 2010

No More Drama in Röda Sten in Göteborg

Vom 9. Oktober bis zum 21. November findet man in den Ausstellungsräumen von Röda Sten die Ausstellung „No More Drama“ der bosnischen Künstlerin Šejla Kamerić, die hier ein sehr komplexes Werk über den Krieg in Serbien und die psychologische Auseinandersetzung mit Gewalt präsentiert. Šejla Kamerić drückt in ihren Werken im Kulturzentrum Röda Sten individuelle und kollektive Kriegserinnerungen aus.

Šejla Kamerić

Im ersten Stock des Gebäudes hat Šejla eine Kathedrale geschaffen in der sie ihre zwei letzten Werke aus dem Jahr 2010 vorstellt. Hooked ist eine Ansammlung von gestrickten Spinnennetzen, die bei genauer Betrachtung den Besucher in sich einsaugen. Die Wirkung der Spinnennetze wird durch die Struktur der Wände und dahinter liegende Graffiti noch verstärkt, wobei die Netze nahezu die ganze Kathedrale überwuchert haben. Ergänzt werden die Spinnennetze von einem 26 Meter langen gestickten Seil, das aus dem Himmel zu kommen scheint.


Die Künstlerin deutet die Symbolik dieser Werke auf verschiedene Weise, denn die Geschichte, die Šejla erzählt, handelt nicht nur von den Ereignissen in Sarajevo, das dreieinhalb Jahre lang besetzt war, sondern erinnert auch an die griechische Sage um Philomena, die vergewaltigt wurde und dann ihre Geschichte in einem gewebten Tuch erzählt.


An den Wänden des Aufgangs zur Ausstellung, die in drei Etagen von Röda Sten untergebracht ist, entdeckt man das mehrteilige Werk Nigel U Go, gerahmte Häkelarbeiten in Graffitistil, die alle den Vornamen von einem gegenwärtigen Machthaber dieser Welt beinhalten für die Menschlichkeit nicht wichtig ist, solange sie selbst einem Gott ähnlich regieren können. Unter diesen Namen findet man unter anderem Silvio und Nicolas.


Im zweiten und dritten Stock findet man die filmischen Werke von Šejla Kamerić, für die man sich etwa eine Stunde nehmen soll, da die Geschichten in denen nicht ein einziges Wort gesprochen wird, von Erinnerungen sprechen, vom Leben in Bosnien, aber auch der Zeit danach in Berlin, der Parallelheimat der Künstlerin. Was ist Erinnerung und welche Worte kann man für dreieinhalb Jahre verlorenes Leben finden.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin

Dienstag, 5. Oktober 2010

Carl Hammoud Ausstellung im Kunstmuseum in Göteborg

Zwischen dem 6. Oktober und dem 21. November stellt im Stenasalen des Göteborger Kunstmuseums, der Ausstellungshalle für moderne Künstler, der schwedische Künstler Carl Hammoud seine jüngsten Werke aus. Hammoud gab der Ausstellung den Namen Polygraph, was darauf hinweisen soll, dass beim Betrachten seiner Werke die Sehsinne voll aktiviert werden müssen.

Carl Hammoud

Carl Hammoud zielt beim Begriff Polygraph jedoch nicht nur auf die Aufzeichnung der körperlichen Strömungen im allgemeinen, sondern hat in der Ausstellung einen Lügendetektor aufgebaut, bei dem jeder Teil aus Papier hergestellt ist, selbst die feinen Kabel. Er verleiht damit dem Kunstwerk ein realistisches Aussehen, das man am liebsten testen würde. Dieser Polygraph ist jedoch das einzige Werk, das an seine früheren künstlerischen Experimente erinnert.


Die Ausstellung Polygraph ist geprägt von Hitchcock, bei dem der Künstler zahlreiche Anregungen fand. Die Gebäude, die Treppen und selbst die verschiedene Betrachtungsweise einer alten, zerschlagenen Kamera könnten direkt einem der Filme Hitchcocks entspringen, lediglich verwandelt durch den persönlichen Stil, den Carl Hammoud in seine Werke legt.

Die Kamera besteht aus fünf Bildern

Der Künstler greift zu einer Technik, in der platte Gegenstände eine dreidimensionale Form annehmen bei der der Betrachter nahezu das Bild betritt und nicht nur betrachtet. Carl Hammoud verlegt die Schärfe auf scheinbar Unwesentliches oder lässt den Betrachter eine kaputte Kamera auf fünf Weisen betrachten, jeweils durch einen anderen Winkel des defekten Objektives.

Detail des Gemäldes

Carl Hammoud wurde 1976 in Stockholm geboren, wo er auch heute noch als Künstler aktiv ist. Zu Göteborg verbinden ihn nicht nur mehrere seiner bisherigen Ausstellungen, sondern auch sein Studium in der Kunsthochschule Valand. Trotz seiner nur 34 Jahre hatte Carl Hammoud bereits, außer in Schweden, mehrere Ausstellungen in den USA, England, Deutschland und sammelte seit dem Jahre 2003 elf bedeutende Preise und Stipendien.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin

Montag, 4. Oktober 2010

Der Kanelbullens Dag in Göteborg

In nur wenigen Jahren hat der Kanelbullens Dag ganz Schweden überrollt. Der 1999 zum 40-jährigen Jubiläum des Hembakningsrådets geschaffene Tag wird in Göteborg fast wie eine Jahrhunderte alte Tradition begangen. Kaum jemand wird an diesem Tag ohne eine Kanelbulle (Zimtschnecke) gegessen zu haben ins Bett gehen, denn viele Firmen laden an diesem Tag ihre Angestellte zu einer Kanelbulle ein und selbst im Kindergarten werden an diesem Tag Zimtschnecken gereicht.


Das Kanelbulle-Grundrezept, dieses typisch schwedischen Gebäcks, ist relativ einfach und fordert im Grunde keine höheren Backkünste. In Schweden jedoch werden die Geheimnisse einer echt guten Kanelbulle fast wie Geheimrezepte betrachtet und jede Hausfrau und jeder Bäcker versuchen, zumindest an diesem Tag, ein Wunderwerk auf den Tisch zu bringen, das sich von den anderen Zimtschnecken unterscheidet.


Einige der wichtigsten Geheimnisse sind mittlerweile jedoch allgemein bekannt, denn zum einen darf man nicht an Butter sparen, wobei diese auch nicht geschmolzen, sondern in natürlicher Raumwärme verarbeitet werden muss. Zum andern darf man keine Trockenhefe, sondern muss Bäckereihefe verwenden, die auch nicht erst aufgelöst wird, sondern direkt mit der Flüssigkeit, die sehr warm sein soll, jedoch 37 Grad nicht überschreiten darf, verarbeitet wird.


Bereits die Form der Kanelbulle ist nicht immer identisch, da manche auf weiche Zimtschnecken setzen, die daher auch höher sind als die klassischen. Aber auch die Menge an Zimt oder der Zusatz von Kardamom entscheiden über Aussehen und Geschmack dieses Gebäcks aus süßem Hefeteig. Und dann sollte man noch entscheiden, ob man eher Zucker oder Sirup zum Backen verwendet, was ebenfalls Aussehen und Geschmack verändert.


Und schließlich bleibt noch die Frage nach der Füllung und der Dekoration, denn außer der traditionellen Füllung findet man heute auch Füllung mit Madelmasse und statt mit grobem Zucker werden sie mit Mandel bestreut. Und, nicht zu vergessen, auch die Wahl des Mehls spielt eine gewisse Rolle wie gut die Kanelbullar gehen und wie sie schmecken.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin

Sonntag, 3. Oktober 2010

Nostalgiemesse in den Eriksbergshallen in Göteborg

Am 3. Oktober trafen sich alle, die sich für Spielwaren und andere Erinnerungen aus den 50er bis den 70er Jahren interessieren, bei der diesjährigen Nolstalgiemesse in den Eriksbergshallen in Göteborg. Auf 1700 Quadratmetern wurde alles geboten, was früher die Herzen vieler Kinder höher schlagen ließ und heute bei der gleichen Schicht eine Renaissance erlebt.


Die Nostalgiemesse in Göteborg darf nicht mit einem Trödelmarkt oder einer Antiquitätenmesse verwechselt werden, denn hier findet man keine Möbel und nur wenige der Gegenstände kommen direkt vom Speicher, sondern das Angebot kommt überwiegend von Sammlern oder kleineren Firmen, die Restposten aufbewahrt haben, in der Hoffnung, dass diese eines Tages einen Wert erringen können.


Wie bereits bei der ersten Messe im Jahre 1983 findet man auf der Nostalgiemesse in den Eriksbergshallen am Norra Älvstranden immer noch Automodelle von Fahrzeugen, die schon lange nicht mehr hergestellt werden und auf der Straße mit Sicherheit die Aufmerksamkeit aller Passanten anziehen, aber heute sind diese Automodelle fast schon Accessoires und zählen nicht mehr zu den großen Attraktionen. Weitaus interessanter sind bereits Modelleisenbahnen, die schon Jahre lang nicht mehr im Handel zu finden sind. Auf der Göteborger Nostalgiemesse kann man jedoch nicht nur fehlende Eisenbahnen oder Wagen nachkaufen, sondern auch jedes Zubehör zwischen Gleisen, Signalen und selbst die Faller-Häuschen aus den 60er Jahren.


Wenn man entlang der 170 Stände der Göteborger Nostalgiemesse geht, so macht man eine Reise in die Vergangenheit, entdeckt Puppenstuben mit den einst so zierlichen und zerbrechlichen Möbeln mit denen man große Puppenhäuser ausstatten konnte, aber auch Tretautos, Spiele und Bausteine, die die Phantasie der Kinder in den 50er und 60er Jahren anregten. So manches liegt heute noch in der Originalverpackung und wurde noch nie geöffnet.

Eine Sonntagsbeilage aus dem Jahre 1914

Auf der Nostalgiemesse in Göteborg findet man alles, was die Vergangenheit in ein rosa Licht setzt, da hier Erinnerungen und Gedanken verkauft werden, wobei so mancher Gegenstand heute bereits ein Vielfaches des früheren Preis kostet, vor allem, wenn die Schreibmaschine der 40er Jahre noch funktioniert, die Kaffeedose in einwandfreiem Zustand ist, die Schallplatten von Elvis kaum Kratzer haben oder alte Zeitungen, die seit Jahrzehnten nicht mehr erscheinen, die Lücke eines Sammlers schließen können.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin

Samstag, 2. Oktober 2010

Nordstan in Göteborg als Kulturzentrum

Wer bei Göteborg an Nordstan denkt, denkt in erster Linie an das größte Einkaufszentrum Skandinaviens wo man nahezu alles finden kann was man sucht, unabhängig, ob es sich um Kleidung, Schuhe, ein elektronisches Zubehör oder das neueste Handy handelt. Nordstan, bzw. der Hauptgang des Einkaufszentrums dient jedoch auch zahlreichen anderen Ereignissen von Bedeutung.

Gretchen und Christer Fuglesang bei Seamhack in Nordstan

Eines der Ereignisse sind die Modeschauen, die in Zusammenarbeit mehrerer Boutiquen Nordstans veranstaltet werden. So finden vom 1. bis zum 3. Oktober die Modeschauen von zwölf Boutiquen statt, die nun die Herbst- und Wintermode vorstellen. Auch wenn diese Modeschauen zum Verkauf anregen sollen, so kommen viele Besucher nach Nordstan um einfach den Trend zu kennen.

Fotoausstellung The Testament of Tebaran in Nordstan

Auch an allen bedeutenden Tagen des Jahres, an denen die Presse auf besondere Probleme der Welt aufmerksam machen soll, nimmt Nordstan aktiv teil, unabhängig, ob es um Krebsforschung, AIDS, Rheuma oder andere Probleme dieser Welt geht. In Nordstand werden Experten zu entsprechenden Themen eingeladen und Ausstellungen zu den Themen präsentiert. Da sich alles im Hauptgang abspielt, ist niemand gezwungen auch nur ein einziges Geschäft zu betreten um sich zu informieren oder an Aktivitäten teilzunehmen.

Wissenschaftsfestival 2010 in Nordstan

Nordstan nimmt aber auch an bedeutenden kulturellen Ereignissen der Stadt teil, unabhängig, ob es sich um das Tanz- und Theaterfestival handelt, um das Wissenschaftsfestival, das Göteborger Kulturfest oder Veranstaltungen zum HBT-Festival. Hier stehen bisweilen bedeutende Personen Schwedens auf der Bühne, wobei sich hier auch Drag Performanskünstler Gretchen bisweilen zeigt und bisweilen der Göteborger Gospelchor auftritt.

Weihnachtsmarkt 2009 in Nordstan

Im Hauptgang von Nordstand finden auch zahlreiche Märkte statt, unter denen vor allem der Weihnachtsmarkt mit Kunsthandwerk eine bedeutende Menge an Besuchern anzieht. Der Erfolg dieses jährlichen Weihnachtsmarkts führte auch dazu, dass dieses Jahr ein zweitägiger zusätzlicher spanischer Weihnachtsmarkt veranstaltet wird. In Nordstan stellt sich aber auch die Lucia-Truppe erstmals vor, hier singen die Idol-Teilnehmer und hier findet ein Teil des Schokoladenfestivals statt, das vom Stadtmuseum Göteborg veranstaltet wird.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin

Freitag, 1. Oktober 2010

Nina Bondeson in der Galleri 1 in Göteborg

Wie in jeder Großstadt, so findet man auch in Göteborg Kunst nicht nur in den Museen, sondern auch in den zahlreichen Galerien, die die Stadt bietet. Eine dieser Galerien in zentraler Lage ist die Galleri 1 in der Erik Dahlbergsgatan, wo man vom 11. September bis zum 2. Oktober die Ausstellung „Hälsa & Friluftsliv“ von Nina Bondeson findet, die hier bereits mehrmals ausstellte.

Safety first. Undantaget den omedelbara erfarenheten (Detail)

Nina Bondeson wurde 1953 in Stockholm geboren und studierte Kunst in Umeå, Stockholm und Göteborg. Sie lebt und arbeitet heute in Mölndal, einem Nachbarort Göteborgs. Ihre Ausstellung in der Galleri 1 hat das Thema „Gesundheit und Leben in frischer Luft“, was der Besucher unmittelbar beim Betreten der Galerie feststellt, selbst wenn er den Titel der Ausstellung nicht kennt.

Yxgull

Hälsa & Friluftsliv“ ist eine sehr individuelle Ausstellung bei der die Künstlerin verschiedene Techniken verwendet, einen Wert auf dreidimensionale Betrachtung legt und die von einigen Installationen vervollständigt wird. Der Betrachter der Werke muss sich Zeit nehmen um die Feinheiten der Arbeiten zu entdecken und die integrierten Texte zu lesen. Nina Bondeson benutzt einen völlig eigenen Stil, den sie im Laufe der Jahre entwickelt hat.

Tie me to your apron strings again

Nina Bondeson wählt für die zum Thema gehörigen Werke Menschen und Krankheiten der heutigen Tage, aber lässt die Jahrhunderte verschmelzen. Der Betrachter findet Elemente von Paolo Uccello, aber auch einen Sprung zu den Alchemisten oder der deutschen Naturphilosophie. Für Nina Bondeson scheinen Zeit und Raum keine Rolle zu spielen.

En jävla röra

Zahlreiche Werke Ninas, die man in der Galleri 1 in Göteborg findet werden von Texten begleitet, die jedoch keine Erklärungen zu den Werken sind, sondern eine begleitende Poesie, nach deren Lektüre man zu einer neuen Betrachtung des Kunstwerks findet. Insgesamt werden in der Galerie 42 Werke zu Gesundheit und dem Leben in frischer Luft der Künstlerin ausgestellt.

Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin