In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten von Göteborg aus rund eine Million Schweden nach Amerika aus. Während sich einige Dörfer Schwedens fast vollständig leerten, erlebte Göteborg durch diese Bewegung sogar eine Art Aufschwung, im Positiven wie im Negativen. Manche Auswanderer blieben nur einige Tage in Göteborg, andere Wochen und wieder andere waren gezwungen sich sogar in der Stadt niederzulassen.
Die Gründe für diese hohe Auswanderungsrate Schwedens waren Hungerjahre, Erbschaftsgesetze, politischer Druck, Militärdienst und die uneingeschränkte Herrschaft der schwedischen Priester, die in ihren Gemeinden diktatorisch über ihre Gemeindemitglieder entscheiden konnten. Wer sich mit dem Priester des Ortes nicht verstand konnte nur auswandern, selbst wenn er dafür Papiere fälschen musste, da offiziell nur der Priester eine Umzugsgenehmigung unterschreiben konnte.
In Göteborg entwickelte sich in den Jahren der Auswanderung eine rege Aktivität. Es entstanden Reedereien, zahlreiche Agenten für Auswanderer öffneten ihre Büros und stellten Werber an, Geschäfte schossen aus dem Boden und jeder, der auch nur ein Zimmer zu vermieten hatte brachte dort so viele Auswanderer wie nur möglich dort unter. Während ihres Aufenthalts mussten die Auswanderer auch essen und die Nahrungsmittel für die Überfahrt erwerben.
Gleichzeitig mit diesem Aufschwung kamen eine Vielzahl an Prostituierten nach Göteborg und jede Art von Bauernfänger entwickelte sich in die Stadt, um gutgläubige Auswanderer um ihre Ersparnisse zu bringen. Kriminalität wurde in Göteborg fast ebenso bedeutend wie die lokale Wirtschaft. Göteborg erlebte in diesen Jahren die größte, wenn auch illegale, Einwanderung an Prostituierten aus ganz Europa. Wurden die Frauen ausgewiesen, so kamen sie mit dem nächsten Boot erneut in die Stadt.
Keine andere Stadt Schwedens erlebte die Auswanderungswelle so stark wie Göteborg. Diese Spuren und die Geschichte der Auswanderer findet man daher auch in den verschiedensten Einrichtungen der Stadt. Auch wenn sich das Emigranternas Hus auf diese Epoche spezialisiert hat, so findet man auch im Seefahrtsmuseum, dem Stadsmuseum und selbst dem Kunstmuseum Dokumente zu diesem Thema und einige der Gebäude, die für die Auswanderer von Bedeutung waren, sind heute noch in fast unveränderter Form in Göteborg zu sehen.
Copyright Text und Fotos: Herbert Kårlin
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